Verbrechen aufklären mit Genealogie: Genial oder übergriffig?

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In den USA ist es Ermittlungsbehörden gelungen, mutmaßliche Straftäter mit Methoden der genetischen Stammbaumforschung zu überführen. Oft handelt es sich um jahrzehntealte Verbrechen, die die Polizei zunächst ratlos zurückließen. Den Durchbruch brachte die DNA-Ahnenforschung. Hierbei werden Verwandtschaftsverhältnisse mithilfe von Analysen des menschlichen Erbguts nachgewiesen.

Datenschützer kritisieren die Ermittlung mithilfe genetischer Daten

Für Ermittler auf der ganzen Welt ist die genetische Ahnenforschung die Technik ihrer Träume. Für Ethiker, Juristen und Datenschützer hingegen ist sie ein Alptraum. Denn eigentlich ist die Stammbaumforschung dazu da, ganz normalen Menschen Erkenntnisse über ihre Herkunft und Familiengeschichte zu ermöglichen. Hat die Polizei das Recht, sich diese Stammbäume anzuschauen und Unbeteiligte zu ihren Helfern zu machen, ohne dass diese es wissen?

Denn die forensische DNA-Ahnenforschung, wie man sie mittlerweile nennt, funktioniert auch dann, wenn die Verbrecher selbst nie eine DNA-Probe abgegeben haben. Eine Studie zeigte: Es brauchen nur ein Prozent aller europäischstammigen Amerikaner ihr Erbgut offenlegen, damit für neunzig Prozent dieser Bevölkerungsgruppe Verwandte gefunden werden können. Sie könnten also identifiziert werden, ohne je einen Gentest gemacht zu haben – nur weil ihre entfernten Verwandten es getan haben.

Neu ist diese Kritik nicht. Schon lang gibt es eine Debatte um die YHRD, eine umfassende Datenbank mit den Chromosomenprofilen von Männern aus der ganzen Welt. Einige Wissenschaftler und Juristen halten sie für unbedingt notwendig, damit sich Sexualverbrechen aufklären lassen und Angeklagte faire Chancen in einem Prozess erhalten können. Andere zweifeln die moralische Vertretbarkeit der YHRD an. Denn Tausende der Männer, die ein Profil in der YHRD besitzen, haben dazu vermutlich nie eingewilligt.

Rechtslage und Geschäfts-bedingungen: Wie geht es weiter?

Ein Datensatz wurde mittlerweile aus der YHRD entfernt, weil bewiesen werden konnte, dass der Betroffene keine Zustimmung erteilt hatte. Weitere Profile werden aktuell geprüft. Die Ahnenforschungsportale, über die die Profile oftmals in die Datenbanken gelangen, haben derweil ihre Geschäftsbedingungen angepasst. So muss man beispielsweise ein Häkchen setzen, um die eigene DNA für Ermittlungen freizugeben. In den USA entscheiden sich ungefähr 50 Prozent der Nutzer dafür.

Doch nicht immer funktioniert die Häkchen-Methode. In Florida konnte ein Ermittler einen gerichtlichen Beschluss erwirken, laut dem die genetische Datenbank GEDmatch ihnen den Zugriff auf all ihre 1,2 Millionen DNA-Profile ermöglichen musste. Kritisch an dieser Entscheidung: Viele dieser Profile gehören Menschen, die eigentlich angegeben hatten, ihre DNA nicht für solche Zwecke zur Verfügung stellen zu wollen.

BVerfG: Massengentest bei schweren Verbrechen erlaubt

In Europa gehen die Dinge etwas langsamer voran. Nachdem die Behörden in Schweden einen Doppelmord aufklären konnten, wünscht sich die Polizei eine offizielle Zulassung der forensischen DNA-Ahnenforschung für die Aufklärung schwerer Delikte. Die schwedische Datenschutzbehörde legte dagegen ein Veto ein, das Justizministerium beauftragte daraufhin einen Sonderermittler. Er wird die Rechtslage genauer unter die Lupe nehmen und klären, ob das Konzept tatsächlich gegen geltendes Recht verstößt.

In Deutschland erließ das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2015 einen Beschluss, laut dem die Anordnung eines Massen-Gentests bei der Aufklärung schwerer Verbrechen erlaubt ist. Das bedeutet, es müssen beispielsweise alle Personen einen Gentest durchführen, die zum Tatzeitpunkt in der Nähe des Tatortes waren. Verfahren wie in den USA sind hierzulande allerdings nicht erlaubt. Ob sich daran noch etwas ändern wird, wenn andere Länder mithilfe der DNA-Ahnenforschung weitere Erfolge erzielen, steht in den Sternen.

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