Künstliche Intelligenzen sind derzeit in aller Munde. Das Sprachmodell ChatGPT kann nicht nur auf Wunsch Kuchenrezepte heraussuchen und Matheaufgaben lösen, sondern auch Websites programmieren und Bachelorarbeiten schreiben. Kann es uns aber auch in der Genealogie helfen? Wir erklären, was ChatGPT in der Ahnenforschung bereits kann und warum wir dennoch kritisch bleiben sollten.
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ChatGPT kann Texte analysieren und in GEDCOM übersetzen
Ein recht anstrengender Teil der Ahnenforschung ist das Filtern relevanter Informationen aus längeren Quellen wie beispielsweise Biografien, Zeitungsartikeln oder Gerichtsprotokollen. Wer sich diese Mühe ersparen möchte, kann das mit ChatGPT tun. Denn die künstliche Intelligenz ist in der Lage, den Text zu lesen, auf die gewünschten Informationen zu prüfen und diese herauszufiltern. So kann sie beispielsweise alle im Text vorkommenden Personen tabellarisch mit den dazugehörigen Daten auflisten.
ChatGPT besitzt außerdem die Fähigkeit, diese tabellarisch zusammengetragenen Daten ins GEDCOM-Format zu übersetzen. Das sorgt dafür, dass aus einem unübersichtlichen Artikel schnell und einfach eine für Genealogieprogramme nutzbare Datei wird. Umgekehrt kann ChatGPT die GEDCOM-Datei übrigens auch in einen erzählenden Bericht umwandeln. Das Programm ist also in der Lage, bereitgestellte Fakten in genau das Format zu bringen, das Sie gerade benötigen.
Für die Ahnenforschung könnte das einen Durchbruch darstellen. Vereine wie CompGen (Verein für Computergenealogie e.V.) könnten in Zukunft große Datenmengen wie beispielsweise Adressbücher, Totenzettel und Geburtsanzeigen durch ChatGPT erfassen, strukturieren und direkt in ihre GEDBAS-Datenbank überführen lassen. Dort lassen sich die Informationen dann durchsuchen und mit bereits bestehenden Stammbäumen abgleichen. Eine solche Idee besteht schon seit langer Zeit, es mangelte jedoch an realistischen Umsetzungsmöglichkeiten – bis jetzt.
Ergebnisse von ChatGPT kritisch beleuchten
Es zeigt sich: ChatGPT ist ein echtes Ass in der Aufbereitung genealogischer Informationen, die Menschen ihm zur Verfügung stellen. Wer die künstliche Intelligenz allerdings nutzen möchte, um völlig neue Informationen zu finden, der sollte kritisch bleiben. Denn von Zeit zu Zeit beginnt ChatGPT zu halluzinieren.
Bitten Sie beispielsweise um eine Biografie Ihres Großvaters Erich Lehmann, geboren 1930 in München, wird ChatGPT eine solche Biografie liefern – sie könnte jedoch Ereignisse enthalten, die Ihr Großvater bei persönlicher Nachfrage niemals erlebt hat. Solche Fehlinformationen sind vor allem deshalb riskant, weil ChatGPT sich so wortgewandt ausdrückt, dass selbst die falscheste Aussage absolut plausibel klingt.
Warum passiert das? Häufig liegt es an Verwechslungen, denn 1930 wurden in München vermutlich mehrere Jungen namens Erich Lehmann geboren. Den Anspruch verfolgend, eine möglichst vollständige Biografie zu erstellen, wird ChatGPT auf die Daten all dieser Menschen zurückgreifen und sie miteinander vermischen. Das Resultat könnte ein bunter Eintopf aus Ereignissen sein, die alle einer tatsächlich existierenden Person passiert sind, aber nicht derselben. Zu determinieren, welcher der Lehmanns was erlebt hat und welcher von ihnen mit Ihnen verwandt ist, dazu ist die künstliche Intelligenz nicht in der Lage.
Zusammengefasst lässt sich sagen: Genealogisch wertvoll sind nur solche Informationen, die durch zuverlässige, authentische Quellen belegt wurden. Diese Faktensuche und Beweislast muss weiterhin von Menschen durchgeführt werden. Künstliche Intelligenzen wie ChatGPT können uns allerdings viel Arbeit bei der Aufbereitung bereits gefundener Informationen abnehmen. Und auch die Frage an ChatGPT, was eine lateinische Abkürzung im Kirchenbuch bedeutet oder wo es Einblick in die Stasi-Unterlagen gibt, ist mit Sicherheit legitim.