Wie beginne ich meine Familienforschung?
Eine Einführung in die Praxis der Familienforschung von Rolf Nowak (c)
Jeder von uns hielt schon einmal einen alten Schuhkarton oder eine Zigarrenkiste von Opa und Oma in der Hand, gefüllt mit verstaubten Bildern und Schriftstücken. Wir erinnerten uns an lange Winterabende, an denen sie uns Kindern viele Geschichten über diese Bilder erzählten. Streng aussehende Damen mit weiten Hüten und schweren Kleidern, Männer mit großen Zylindern und Zwirbelbart, die steif vor einem Ungetüm von Blumenvase standen, schauten uns von diesen Bildern an. Das alles waren für uns Geschichten aus einer fernen Welt……….
Viele Jahre später beim Aufräumen des Dachbodens wühlten wir in alten Kommoden und Kisten und fanden dabei zwischen verstaubten Kleidern diese alten Schätze der Kindheit wieder. Das Interesse an der eigenen Vergangenheit und an unseren Vorfahren wurde geweckt.
Wir stellen fest, daß viele Geschichten verschwommen vor uns ablaufen und ein Zusammenhang fehlt. Nun ist der Detektiv in uns gefragt! Die alles entscheidende Frage bleibt: „Wie beginne ich jetzt, Licht in das Dunkel meiner Vorfahren zu bekommen“?
Spätestens hier beginnt ein Hobby, das uns ein Leben lang begleiten wird.
Inhaltsverzeichnis
Befragen von Verwandten
Am Anfang unserer Forschungen steht das Zusammentragen von Unterlagen der Familie. Wir fragen unsere Eltern nach allen Daten, die ihnen bekannt sind. Dazu gehören:
- Alles, was an Urkunden über Eltern, Großeltern und Urgroßeltern vorhanden ist
- Gibt es einen alten Ahnenpaß, auch Ariernachweis genannt?
- Hat schon einmal ein Familienmitglied geforscht?
- Was gibt es an Verwandten und wo leben diese?
Kurzum: Alles erkunden, auch wenn es am Anfang noch so belanglos erscheint. So findet man auch wieder Kontakt zu Verwandten, die man lange nicht mehr besucht hat.
System in die Unterlagen bringen
Bei der Befragung von Verwandten kommt man schnell an einen Punkt, an dem man den Überblick verliert. Hierbei ist es sehr wichtig, Notizen über diese Gespräche anzufertigen.
Am besten ist, man besorgt sich einige Schnellhefter und beschriftet jeden einzelnen mit Namen. Jede Familie sollte dabei einen eigenen Schnellhefter bekommen. Die wichtigsten Punkte von Gesprächen schreibt man sich auf und heftet sie erst einmal ab. So nach und nach kommt da schon einiges zusammen. Man kann immer wieder einmal das Geschriebene nachlesen und eventuell bei Unklarheiten einzelne Personen befragen. Man sollte sich dabei nicht nur auf das Zusammentragen von Daten beschränken, sondern auch Geschichten und Erlebnisse aufschreiben. So füllt sich unser blankes Datengerüst langsam mit Leben auf.
Der nächste Schritt der Systematik folgt:
Um alle Vorfahren schnell wiederzufinden existiert ein einfaches, jedoch wirkungsvolles System, um Ordnung in seine Vorfahren zu bekommen. Ein schlauer Mensch mit Namen Stephan Kekulé von Stradonitz erfand im letzten Jahrhundert eine Ahnennummerierung, die bis heute von fast allen Ahnenforschern auf der ganzen Welt genutzt wird. Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet man dieses Ordnungssystem als Ahnen-Nummerierung nach Kekulé. Das System ist einfach:
Der Ausgangspunkt der Ahnenliste ist der Proband, also derjenige, von dem die Ahnenliste ausgeht. Diese Person erhält die Nummer 1. Die Eltern bekommen die Nummern 2 und 3. Hierbei ist zu beachten, daß die männlichen Vorfahren immer eine gerade, die weiblichen eine ungerade Ahnennummer erhalten, also mein Vater hat die Nummer 2, meine Mutter die Nummer 3. Die nächste Generation ist die Großelterngeneration, also die Nummern 4-7. Hier haben die Großeltern väterlicherseits die Nummern 4 und 5, die Großeltern mütterlicherseits die Nummern 6 und 7. So geht es dann Generation für Generation weiter, also immer eine Verdoppelung der Nummern plus 1 ergibt die nächste Generation.
Die ersten Schritte zu den Behörden
Wenn man die Befragung der Verwandten größtenteils abgeschlossen hat, steht der nächste Schritt bevor, die Kontaktaufnahme mit dem Standesamt.
Man sollte wissen, daß die Standesämter in Deutschland seit etwa1874 existieren. Alle Personenstandsdaten vor 1874 befinden sich in den sogenannten Kirchenbüchern der jeweiligen Ortschaften.
Die Standesämter verwalten seit 1875 das komplette Personenstandswesen in Deutschland. Dort befinden sich Geburts-, Heirats- und Sterbebücher.
Hier ergibt sich nun ein Problem mit dem Datenschutz. Das Datenschutzgesetz schreibt vor, daß kein Bürger Auszüge aus den Unterlagen der Standesämter bekommen kann, es sei denn, er hat ein berechtigtes Interesse. Da die Erforschung der eigenen Vorfahren ein „berechtigtes Interesse“ ist, müssen wir gegenüber dem Standesamt den Beweis erbringen, daß wir die Nachkommen der Personen sind, von denen wir Daten bekommen möchten.
Wenn wir wissen, aus welchem Ort unsere Vorfahren stammen, schreiben wir einen Brief an die Behörde. Es folgt nun ein Musterbrief:
Brief an ein Standesamt
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Von den Standesämtern erhält man in der Regel eine Kopie aus den Büchern mit Beglaubigungsstempel. Für die Kopie wird – je nach Gebührenordnung – 10,00 – 12,00 DM berechnet.
Die Urkundeneinträge sind zumeist sehr genau geführt und geben Aufschluß über weitere Hinweise zu unseren Vorfahren:
- Die Geburtsurkunden beinhalten Angaben zum Tag der Geburt und die Angabe der Eltern.
- Die Heiratsurkunden beinhalten die Angabe der bürgerlichen Eheschließung, das Alter von Braut und Bräutigam und deren Eltern.
- Die Sterbeurkunden beinhalten den genauen Sterbetag, das Alter des Verstorbenen und Angabe des Geburtsortes mit Datum.
Manche Standesämter lassen sich sehr viel Zeit mit der Bearbeitung solcher Anfragen. Man sollte hier jedoch etwas Geduld haben. Meine Erfahrung ist, daß die Bearbeitung in kleinen Ortschaften relativ schnell durchgeführt wird (etwa eine Woche). In größeren Ortschaften muß man schon einmal 3-4 Wochen auf Ergebnisse warten.
Kirchenbuchforschung
Der nächste Schritt ist die Suche der Vorfahren in den Kirchenbüchern.
Die Kirchenbücher in Deutschland beginnen zu unterschiedlichen Zeiten. Sehr alte Kirchenbücher finden sich hauptsächlich in katholischen Gegenden. Die meisten Kirchenbücher beginnen jedoch erst in der Zeit nach dem 30jährigen Krieg, also nach 1648.
Hier muß man zunächst einmal ausfindig machen, an welchem Standort sich die Kirchenbücher befinden, die man einsehen möchte.
Der beste Weg ist der, sich direkt an das das Pfarramt zu wenden. Auf den Telefon-CD´s findet man in der jeweiligen Ortschaft unter „Kirchengemeinde“ die zuständigen Pfarrämter, deren Anschriften und die Telefon-Nummer. Hier lassen sich oft schon grundlegende Fragen mit dem zuständigen Pastor klären:
- Sind die Kirchenbücher im Pfarramt vorhanden?
- Wann beginnen die Kirchenbücher?
- Können die Kirchenbücher vor Ort eingesehen werden und zu welchen Zeiten?
- Befindet sich vor Ort eine Person, die häufig in den Kirchenbüchern forscht und evtl.Hilfestellung geben kann?
- Gibt es bereits von den Kirchenbüchern Verkartungen oder ein Ortsfamilienbuch?
- Existiert eine Ortschronik?
Viele sogenannte Landeskirchen, Kirchenkreise oder Bistümer haben teilweise zentrale Archive, die allgemein öffentlich zugängig sind. Hier kann man jedoch meist nicht an den Originalen arbeiten, sondern bekommt nur die Mikroverfilmung.
Hat man nun seinen ersten Termin in einem Pfarramt, so sollten bestimmte Dinge in jedem Fall beachtet werden. Ich gehe davon aus, daß man seine Unterlagen soweit geordnet vorhanden hat, daß man einen schnellen Einstieg in die Forschung findet:
- Bei den Kirchenbüchern handelt es sich nicht um Geburts-, Heirats- und Sterbebücher, sondern um Tauf-, Trauungs- und Beerdigungsbücher. Diese beinhalten hauptsächlich diese kirchlichen Amtshandlungen. In den meisten Fällen sind jedoch Geburts- und Sterbedaten angegeben. In älteren Büchern finden sich dagegen fast nur die Tauf- und Beerdigungsdaten.
- Weiter existieren Konfirmationsbücher, in katholischen Gegenden auch Kommunions- und Firmungsbücher.
- In den meist neueren Kirchenbüchern, d.h. ab etwa 1830 befinden sich Personenregister. Diese erleichtern natürlich die Suche nach seinen Vorfahren. Wenn Kirchenbücher ohne Register vorhanden sind, sollte man den Pastor fragen, ob von diesen Büchern an anderer Stelle Register existieren.
- Nun sollte man seine Suche systematisch durchführen. Sucht man nach einer Geburt, kann man diese anhand der Personenregister evtl. schnell ausfindig machen. Handelt es sich bei dem gesuchten Namen jedoch um einen sogenannten „Standardnamen“ in diesem Ort, können die ersten Schwierigkeiten bereits beginnen. Als Standardnamen bezeichnet man Namen, die in einer Ortschaft verstärkt vorkommen. Fast in jeder Ortschaft finden sich solche Namen.
- Bei der Suche sollte man sich nicht nur auf die direkten Vorfahren beschränken, sondern auch immer die Geschwister des Vorfahren mit aufnehmen. Das hat den Vorteil, daß man später Unklarheiten evtl. leichter beseitigen kann. Des weiteren ergeben sich durch die Aufnahme der Geschwister oft Anhaltspunkte zu anderen Forschern, die nach dem gleichen Namen suchen.
- Hat man nun die Geburt gefunden, so sollte man als nächstes nach dem Heiratseintrag der Eltern des Täuflings suchen. Meist liegt die Heirat knapp ein Jahr vor der Geburt des ersten Kindes.
- Der nächste Schritt ist die Suche nach den Begräbnisdaten der Eltern. Solange die Bücher mit Registern ausgestattet sind, dürfte die Suche nicht allzu schwierig sein. Im Begräbnisbuch finden sich Sterbe- und Begräbnisdatum, Todesursache und das genaue Alter des Verstorbenen, z.B. mit der Angabe 72 Jahre 5 Monate 3 Tage. So läßt sich das Geburtsdatum leicht errechnen. Bedenke jedoch, daß Pastoren auch nicht unbedingt Rechenkünstler waren. Man sollte, falls das Geburtsdatum nicht sofort gefunden wird, auch einmal zwei bis drei Jahre vor und nach dem errechneten Datum suchen. Oft findet sich in den Begräbnisbüchern auch nur die Angabe des Alters, z.B. 54 Jahre, ohne weitere Angabe von Monat und Tag. Sollte man hier zurückgerechnet nicht auf die Geburt stoßen, wird der Verstorbene sehr wahrscheinlich aus einer anderen Ortschaft stammen. Hier können nun die Angaben der Paten bei den getauften Kindern zur Auswertung kommen.
Schafft man es nicht, ein Pfarramt persönlich aufzusuchen, sei es aus Zeit- oder Entfernungsgründen, so schreiben man einen Brief an die zuständige Pfarrei.
Musterbrief an ein Pfarramt
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Wichtig ist hierbei, sein Problem genau zu schildern. Die Pastoren sind fast alle auf dem Gebiet der Genealogie Laien. Je genauer Sie Zusammenhänge schildern, umso eher kann sich auch ein der Genealogie Nichtkundiger in Ihr Problem hineindenken.
Schreiben Sie in netter, höflicher Form; schweifen Sie nicht zu weit vom Thema ab. Geben Sie keine Fristen vor. Ein kurzer Satz mit dem Inhalt „…. würde ich mich freuen, bald von Ihnen zu hören …“ ist jedoch akzeptabel.
Dem Brief sollte ein adressierter und frankierter Rückumschlag beiliegen. Ein Hinweis auf die Übernahme der Kosten sollte ebenfalls nicht fehlen. Der Pastor ist ansonsten gezwungen, sich zunächst wieder mit Ihnen in Verbindung zu setzen, um diesen Punkt zu klären. Das kostet wieder Geld und Zeit. Geben Sie evtl. in Ihrem Schreiben an:“ Wenn der Kostenrahmen 100,- DM (oder andere Summe) übersteigen sollte, bitte ich zunächst um Rücksprache“.
Schicken Sie auf keinen Fall einen Scheck oder Bargeld im Umschlag mit. Das macht keinen Sinn und beschleunigt auch nicht die Bearbeitung Ihrer Anfrage. Sie setzen damit das Pfarramt eher unter Druck.
Weitere nützliche Tips zur Kirchenbuchforschung
- Schreiben Sie immer die kompletten Texte mit allen Angaben aus den Kirchenbüchern ab. Die Inhalte können später einmal sehr wichtig sein. Des weiteren weiß man immer, aus welcher Quelle diese Angabe stammt. Wenn die Möglichkeit besteht, lassen Sie sich Kopien der Einträge anfertigen. Zu Hause lassen sich die Einträge mit Unterstützung der Familie evtl. besser auswerten. Das hat weiterhin den Vorteil, daß man nach und nach die alte Schrift zu lesen lernt. Aller Anfang ist auch hier schwer. Nicht alle Landeskirchen gestatten es, Kopien von den Kirchenbüchern anzufertigen. In manchen Landeskirchen besteht absolutes Kopierverbot der Original-Bücher. Von den Mikroverfilmungen dürfen jedoch Kopien gezogen werden.
- Die Schreibweise ein und desselben Namens kann sehr unterschiedlich sein. Hierzu muß man wissen, daß es erst etwa seit den 20er Jahren dieses Jahrhunderts zu einer einheitlichen Schreibweise der Namen kam. Wer sich dann Meier mit ei schrieb, konnte später nicht seinen Namen Meier mit ai schreiben. Vorher war das ohne weiteres möglich. So finden sich in Kirchenbüchern oft in ein und demselben Eintrag zwei bis drei verschiedene Schreibweisen desselben Namens. Des weiteren sollte man wachsam sein, wenn ein neuer Pastor die Pfarrstelle des Ortes antrat. Gerade hier finden sich häufig neue Namensvarianten in den Einträgen. Das ist auch leicht nachzuvollziehen. Kam der Pastor aus einer Gegend, in der ein anderer Dialekt gesprochen wurde, so schrieb er die Namen so in das Kirchenbuch, wie er sie von seinem Gegenüber verstanden hat. Die meisten Leute konnten ja weder lesen noch schreiben, somit auch nicht ihren Namen buchstabieren. Ein krasses Beispiel von Namensveränderung findet sich in einem alten Kirchenbuch in der Nähe von Uslar. Hier taucht bereits schon im Jahre 1636 der Name Ölmann, auch Öhlmann geschrieben, in den Kirchenbüchern auf. Bis etwa zum Jahre 1750 findet sich der Name sehr häufig. Mit Wechsel der Pfarrstelle ist dieser Name plötzlich gänzlich aus den Büchern verschwunden. Der neue Pastor war wohl ein Vertreter guter hochdeutscher Sprache. Aus Öhlmann – übrigens die plattdeutsche Aussprache im Norden (Ö(h)l)für Eule – machte er kurzerhand Eulemann. Somit hießen alle Öhlmanns fortan Eulemann.
- In den alten Kirchenbüchern finden sich häufig die Monatsbezeichnungen 7ber, 8ber, 9ber und 10ber, auch geschrieben als 7b oder 7br. etc. Das sind aber nicht – wie es gerade am Anfang häufig falsch gedeutet wird – die Abkürzungen für die Monate Juli bis Oktober, sondern die alten lateinischen Monatsbezeichnungen für:
- 7ber steht für septem, also sieben, für den Monat September
- 8ber steht für octo, also acht, für den Monat Oktober
- 9ber steht für novem, also neun, für den Monat November und
- 10ber, also decem, zehn, für den Monat Dezember.
Nutzung von Genealogie-Programmen
In den letzten Jahren überschüttete uns die Welt mit vielen neuen Werkzeugen zur Erfassung und Verwaltung unserer familienkundlichen Daten, sprich Software für den Computer. Mittlerweile gibt es eine Fülle von Programmen auf dem Markt mit unterschiedlichen Möglichkeiten und Preisen. Mittlerweile gibt es kostenlose Programmen, günstige Programme schon ab 10,00 DM und teure Programme zwischen 200,00 und 800,00 DM. Eine Empfehlung möchte ich nicht aussprechen. Wichtige Kriterien für die eigene Entscheidung zum Kauf eines Programmes finden Sie unter www.familienforschung-online.de Hier finden Sie in unregelmäßigen Abständen auch Testberichte von Programmen.
Eine Übersicht von deutsch- und englischsprachigen Genealogie-Programmen finden Sie bei Ahnenforschung.Net.
Literatur zum Einstieg
Ein grundlegendes Werk für den Einsteiger in die Familienforschung ist das Buch von den Autoren Wolfgang Ribbe und Eckart Henning mit dem Titel „Taschenbuch für Familiengeschichtsforschung“. Hier finden sich sehr viele Informationen aus allen Bereichen der Genealogie.
Zusammenfassung
Ich hoffe, jedem Neueinsteiger in die Ahnenforschung einige kleine Hinweise gegeben zu haben. Sicherlich gibt es noch reichlich viele nützliche Hinweise und Tipps zum Einstieg.
Das Anliegen dieser Abhandlung sollte sich hauptsächlich darauf beschränken, die ersten Schritte in ein noch fremdes Gebiet zu beschreiben.